Modelleisenbahnclub 01
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1972-2012 – 40 Jahre Grundlagenvertrag mit der DDR
Interzonenzüge in und um Hof
Ende 2011 begann Horst Flechtner aus Garching bei München, aufgewachsen in Hochfranken, seine alten Dias vor dem Verfall zu retten. Dabei fielen ihm einige Bilder von Interzonenzügen auf, die er in und um Hof aufgenommen hatte. Interessanterweise spiegeln auch diese die Veränderungen im Bahnbetrieb in den Jahren 1980 bis 1992 wieder. Sie zeigen den Hofer Hauptbahnhof - noch vor der Modernisierung - mit Reisezügen der Deutschen Reichsbahn, die viele Jahre unserer Kindheit und Jugend geprägt haben. Zu Verwandtenbesuchen bin ich mit meiner Mutter mehrmals in die DDR gefahren, von Reisen konnte, aufgrund der beschämenden Grenzkontrollen in Gutenfürst nicht die Rede sein. Obwohl es schon lange keine "Ostzone" mehr gab, die Züge in die DDR wurden von uns immer Interzonenzüge* genannt. Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden die Züge in die DDR fast immer mit den 3.000 PS starken, aus russischer Produktion stammenden 132er bespannt, die ab Hof die Züge übernahmen. Während die in Richtung West-Berlin fahrenden Transitzüge üblicherweise aus Wagen der Deutschen Bundesbahn (DB) bestanden, fuhren die klassischen Interzonenzüge in Richtung Dresden und Görlitz mit Wagen der Deutschen Reichsbahn (DR). Wer heute im IRE in knapp zweieinhalb Stunden mit einem 612er nach Dresden "braust", kann sich die langwierige Fahrt im Interzonenzug gar nicht mehr vorstellen. Stundenlang ging es unmittelbar hinter Hof durch die meist eine dreiviertel Stunde dauernde Grenzkontrolle unterbrochen, durch die DDR. Fotografieren traute man sich nicht und vor der Grenzkontrolle in Gutenfürst erstarb jede Unterhaltung in den vor der Einführung von Bom** und Bmh oftmals mit gotischer Dachform ausgestatteten Reisezugwagen. "Gott sei Dank" ist heute alles Geschichte. Gehen sie mit den Bildern von Horst Flechtner auf eine kleine Zeitreise zu den Interzonenzügen. Manfred Hösch steuerte Zugnummern, Fahrpläne und Hinweise bei.
*Als Interzonenzug wurden die Züge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bezeichnet. Später wurde zwischen Transitzügen (nach West-Berlin) und den eigentlichen Interzonenzügen (in die DDR) unterschieden. **DR Neubaureisezugwagen mit Abteilen bzw. Großraum.
Volker Seidel
Mit Inkrafttreten des Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 21. Juni 1973, dessen Abschluss direkt auf die erfolgreiche Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt zurück zu führen ist, wurde der "Kleine Grenzverkehr" - für Reisen aus grenznahen Landkreisen in die DDR - ermöglicht. 1972 wurde im Verkehrsabkommen festgelegt, dass auch der Grenzübergang Hof/Gutenfürst von Reisezügen des "Kleinen Grenzverkehrs" genutzt werden durfte. 132 435-9 der Deutschen Reichsbahn der DDR steht auf Gleis 8 im Hofer Hbf. Sie bespannt den E 2067 (Hof ab 9:17 Uhr) nach Plauen (die Züge des "Kleinen Grenzverkehrs" erhielten teilweise Vorspann aus Güterzügen zur Einsparung einer Lz). Auch im "Kleinen Grenzverkehrs" mussten 25 Mark harter Westwährung (Deutsche Mark = DM) in 25 Ostmark umgetauscht werden. Bei mehrtägigen Reisen in die DDR ein teures Vergnügen, waren doch 25 DM in den 1980er Jahren noch sehr viel Geld! |
Als Horst Flechtner 1985, im Jubiläumsjahr 150 Jahre deutsche Eisenbahnen, den D 467 auf dem Unterkotzauer Viadukt aufnahm, war die Brücke frisch saniert und das nach dem zweiten Weltkrieg verbliebene Gleis in die Mitte des Viaduktes gerutscht. Der gleich hinter der 132 696-6 laufende Postwagen der Deutschen Bundespost blieb, wie die Diesellok, bis Reichenbach am Zug und lief anschließend nach Leipzig weiter. Die ersten vier Reisezugwagen liefen bis Dresden, der restliche Zugteil ab dem BDghw fuhr nach Görlitz weiter. Ungezählte Male fuhr ich in diesem D-Zug mit. Spät in der Nacht wurde endlich Löbau erreicht, von dort war es dann nur noch eine Stunde mit dem Taxi bis zur Verwandschaft! |
Die 132 701-4, die Horst Flechtner bei der Einfahrt am Q-Bogen in Hof aufnahm, wird gleich Hof Hbf ereichen. Immer wieder kommen die gleichen Maschinen im Pendeldienst Reichenbach - Hof zum Einsatz. Diese wurden im Bw Reichenbach unterhalten und durch DDR-Grenzer* und Zöllner auch extra überprüft, damit ja keiner ein Versteck zur Flucht in den Westen einbauen konnte! Der D 309, den die 132er in Hof an eine 218er abgeben wird, führte an bestimmten Wochentagen einen Kurswagen nach Bayerisch Eisenstein mit. Im Sommer 1985 übernahm diese Aufgabe ein 1./2. Klasse Reisezugwagen vom Typ ABom der Deutschen Reichsbahn. |
Die uns schon oben begegnete 132 701-4 spannte dem D 308 vor, als er 1985 den Hofer Bahnhof in Richtung Berlin verlies. Eigentlich kein "Interzonenzug" sondern ein Transitzug von Westdeutschland nach Berlin (West) mit Kurswagen nach Kobenhagen via Gedser. Neben DB Bm und speziell für den Berlinverkehr modernisierten Halbpackwagen liefen auch Gesellschaftswagen als Speisewagen planmäßig in diesen Zügen. Sein Gegenzug war der D 309 nach München.
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Mit den nächsten vier Bildern verlassen wir Hof, um dem Bahnhof Münchberg einen Besuch abzustatten. 218 229-3 - mit Anbauschneepflug ausgerüstet - bespannt, vermutlich an einem Sonntag, den E 3766. Der Fotopunkt, den Horst Flechtner Anfang der 1980er Jahre wählte, wird in Münchberg "Eisteich" genannt; noch heute ein beliebter Standpunkt für unseren Webredakteuer Volker Seidel. Der Zug besteht aus einem Post mra, einem DB ABm, vier Bom und einem Ame (Bme?) oder ABme der Deutschen Reichsbahn, ein sicheres Zeichen dafür, dass es sich bei dem Zug um den für den Feiertagsmehrverkehr verstärkten E 3766 handelt. |
Der Interzonenzug E 3766 - als die Eisenbahnwelt noch in Ordnung war - in Münchberg! Die Eidechse (Elektrokarren) steht mit einem Wagen am Bahnsteig, die Weiche zum Kleinlokschuppen liegt noch (in Münchberg war damals die Köf 333 123-8 stationiert) und der Gleisplan ist noch vollständig: Heile Welt? Die Vorserienlok 218 003-2 bespannt mit einer Serienschwester den Interzonenzug Hof - Bamberg - Nürnberg. Die 218er blieben bis Bamberg am Zug und setzten dort den hinter den Lokomotiven laufenden DB ABm nach Würzburg um. Ein letztes Aufbäumen in Richtung Würzburg, wurde doch der ABm als Kurswagen Hof - Bamberg - Würzburg eingesetzt. Aus diesem Grund lief der noch grüne Post mra an zweiter Stelle im Zug, obwohl er, im Gegensatz zu DB Packwagen der Schnellzugbauart, keine Durchgangsmöglichkeit für Reisende bot. |
Gleich hinter der 218 199-8 laufen drei Reichsbahnwagen mit gotischer Dachform, lange Zeit typische Reichsbahnwagen für die Interzonenzüge: Oft bin ich mit ihnen in die DDR gefahren, als ich ein kleiner Junge war, waren diese Züge bis Hof immer mit einer 01 bespannt! Auch bei der Reichsbahn griff die Unsitte um sich, in Interzonenzügen "minderwertige", weil eigentlich für den Regionalverkehr bestimmte, Wagen einzusetzten. Hinter den Abteilwagen laufen vier Großraumwagen vom Typ Bmh! Der aus neuen Wagen bestehende E 3767 rollt soeben am Stellwerk Mwf* vorbei (* Münchberg West Fahrdienstleiter). |
Münchberg am Samstag, 1. März 1986. Der Interzonenzug E 3767 nach Görlitz ist mit der 218er schlechthin bespannt: 218 217-8, die einzig wahre TEE 218! Der E 3767 bestand an diesem Tag aus sechs Wagen, als er bei der Ausfahrt aus Gleis 3 aufgenommen wurde. Ab Mitte der 1980er Jahre gab es Kurswagen von und nach Stuttgart über Heilbronn - Würzburg aus und zu den D 1466 und D 1467. Diese fuhren mit E 2452 Münchberg ab 12:37 Uhr nach Würzburg und mit E 2451 um 12:26 Uhr nach Hof. |
Blick auf die innerdeutsche Grenze zwischen Feilitzsch und Gutenfürst. Als das Bild um 1982 entstand, sorgten die westdeutschen Fotografen für einen Alarm "drüben". Am 9. November 1989 verlor dieses Bild seinen Schrecken. Vor der Öffnung der Grenze zwischen den beiden Deutschen Staaten rollten über diesen Grenzabschnitt die Flüchtlingszüge aus der Prager Botschaft! Das war der Anfang vom Ende ... |
Nachdem Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros der SED, am Abend des 9. November 1989 in einer im DDR Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz, folgendes sagte: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dabei noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen", war nichts mehr wie vorher. Eine riesige Reisewelle von Ost nach West setzte auf Straßen und vor allem Schienen ein. In bis zu 300 % überfüllten Zügen und oftmals mit Kinderwagen vollgeschlichteten Packwagen, machten sich die Bürger der DDR auf, den Westen zu erkunden. Aber die Eisenbahner in Hof und überall in den Grenzbahnhöfen reagierten schnell und holten Wagen aus ganz Deutschland zusammen, um dem Ansturm gerecht zu werden. Eigentlich nur für den DDR-Binnenverkehr zugelassene Doppelstockwagen rollten gen Westen und in Hof wurden alle noch verfügbaren B4yg Umbauwagen zusammengezogen. In der Reiszugwagenabstellanlage in Hof wurden die Garnituren zusammengestellt, gereinigt und vorgeheizt, bevor sie mit Lokomotiven der Reichsbahn in Richtung Osten auf die Strecke gingen. |
132 592-7 und eine Schwesterlok stehen abfahrbereit auf Gleis 4. Vermutlich bespannen sie den D 1465 nach Görlitz (siehe Fahrplan). Das Bild muss im Winter 1989/90 entstanden sein, da die großen Abfallkübel am Bahnsteig 2 erst nach der Wende aufgestellt worden sind. Die zweite Lok wird für die Bespannung weiterer Sonderzüge in Richtung Westen dem D 1465 bis nach Reichenbach beigegeben. Da die Strecke, im Gegensatz zu heute, noch nicht wieder vollständig zweigleisig ist, wird zur Vermeidung einer Lz-Fahrt oftmals so verfahren. Noch gibt es das alte Flair am Hofer Hbf: Die historische Bahnsteigüberdachung auf Gleis 2, alte Lampen und Reichsbahn 132 prägen die Szene. |
Eigentlich schon zur Abstellung vorgesehen, kamen auch Allgäu-Zollern-Bahn Wagen nach Hof, um nach der Wende im Pendeldienst in die DDR zu laufen. Aber nicht nur die B4yg Wagen sind heute Geschichte: Dort wo einst die alte Hofer Waschanlage für saubere Fahrzeuge sorgte, steht heute ein moderner Zweckbau mit einer vollautomatischen Waschanlage und nur ganz selten verirrt sich einmal ein alex-Reisezugwagen in das Hofer Triebwagenallerlei. |
Die 132 656-0 hatte keine Mühe, ihren aus 14 Wagen bestehenden Zug nach Hof zu ziehen. Vor allem zahlreiche BD4yg-Wagen, welche für Kinderwagen nützlich waren, liefen in den Zügen mit. Zeitweise wurde eine Einbahnregelung im Hofer Perrontunnel eingeführt, um den Menschenmassen Herr zu werden. In der Fussgängerunterführung gelangte man zu den Zügen, über die Überfahrten am Ende des Bahnsteiges ging es zum Hausbahnsteig. |
Unmittelbar nach der Wende rollte alles, was Räder hatte, um die Menschenmassen morgens aus der DDR in den Westen und abends vom Westen wieder in den Osten zu bringen. Hof und alle angrenzenden Städte (in Münchberg gab es teilweise mehr Besucher als Einwohner!) und Gemeinden wurden von Menschen überrollt. Um das Begrüßungsgeld auszuzahlen, es gab bundesweit pro Person einmalig 100 DM und in Bayern nochmals extra 40 DM beim Zweitbesuch, wurde im Bahnhofspostamt in Hof eine zusätzliche Auszahlstelle geschaffen. Unser Fahrplan "Zusätzliche Züge" aus der Sammlung von Manfred Hösch spiegelt die Reisendenströme von damals wieder: Morgens von Dresden, Karl-Marx-Stadt (das heute wieder Chemnitz heißt) oder Plauen nach Hof, Regensburg oder München und abends wieder heim. (Den Fahrplan gibt es als Lightbox, zum Vergrößern bitte anklicken!) |
Auf Gleis 6 steht der vormittägliche Eilzug nach Gera; dieser kam gegen 8:00 Uhr in Hof Hbf an und fuhr gegen 9:15 Uhr wieder zurück nach Gera. Die 219 200-3 war die täglich eingesetzte Stammlok. Das Bild entstand im Dezember 1992, also bereits nach der Wiedervereinigung! Aus dem "Reichsbahn-U-Boot" 119 200-4 wurde bereits die nach DB Norm bezeichnete 219 200-3. Auch die Lokschilder, die so typisch für Lokomotiven der DDR-Reichsbahn waren, sind bereits Klebeziffern gewichen. Bei diesem Zug handelt es sich um den ersten Versuch, die ehemalige Bezirkshauptstadt Gera in Richtung Süden besser anzubinden. Aus dieser Verbindung entwickelte sich der spätere InterRegio Gera - Karlsruhe. Die Züge wurden wieder kürzer, ein Zeichen, dass die erste Euphorie verflogen ist. |
Nicht um einen Zug des "Kleinen Grenzverkehrs", sondern um den Pendelzug nach Plauen, der 1992 planmäßig von Gleis 1 B (früher 1 Nord) abging, handelt es sich hier. Ursprünglich nur bis Gutenfürst verkehrend, wurde der aus Plauen kommende Zug - nach der Wende - bis nach Hof verlängert. Später wurde diese Leistung auf einen VT 628 umgestellt. Die 201 895-0 hat nur einen Bmh am Haken! Zur Zeit des kalten Krieges und der Teilung Deutschlands pendelte ein LVT (Reihe 171) bzw. später die 110er (DB AG 201er) von Plauen kommend in ein ausserhalb der Grenzübergangsstelle (GÜST) Gutenfürst liegendes Personzuggleis. Damit ja niemand auf dumme Gedanken kam ... |
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